Quelle: Liechtensteiner Vaterland / Philipp Kolb
Eine Stunde Paroli geboten
Liechtensteins U21-Nati konnte sich gegen die Übermacht aus der Schweiz erstaunlich lange wehren. Der erste von schliesslich sechs SchweizerTreffern fiel erst nach rund einer Stunde.
«Eigentlich müssten wir jeweils die Partien nach einer Stunde abbrechen und den Rest des Spiels am anderen Tag austragen», witzelte U21-Natitrainer Heinz Fuchsbichler an der Pressekonferenz. Schnell wurde er aber wieder ernst. «Mir tun die Jungs leid. Sie zeigten viel Herz und kämpften und wurden für die 60 Minuten 0:0 nun nicht belohnt. Am Schluss gabs mit 0:6 wieder ein Debakel », so Fuchsbichler und weiter: «Uns fehlte am Schluss schlicht und einfach die Kraft, um die Räume weiter eng zu machen und aggressiv wie zu Beginn in die Zweikämpfe zu gehen. Die Batterien waren leer.»
Hausaufgaben besser machen
Fuchsbichler kritisierte aber auch. «Einmal mehr wurde klar, dass die Spieler ihre Hausaufgaben besser machen müssen. Wer international spielen will, muss punkto Fitness einfach mehr machen als die Kollegen imVerein. Hier müssen wir weiter arbeiten, wenn wir irgendwann wirklich auf einen Punkt spielen wollen.» Natürlich muss man auch realistische Vergleiche ziehen. Gestern standen im Liechtensteiner Team vier Drittligaspieler und drei Amateure aus der zweiten Liga einer Startruppe von einigen U17-Weltmeistern, die mehrheitlich in der Super Leauge oder gar im Ausland bei Vereinen wie West Ham United, Livorno Calcio, Udinese Calcio oder Fulham unter Vertrag stehen, gegenüber. Alles andere als ein Sieg der 8 Millionen Einwohner zählenden Schweiz gegen das über 220 Mal kleinere Liechtenstein wäre eine Sensation gewesen.
Eidgenossen mit Geduld
Nervös sei man nicht geworden, als in der Pause und auch nach einer Stunde noch das 0:0 auf der Anzeigetafel stand, erklärte der Schweizer Trainer Pierluigi Tami. «Wir wussten, dass Liechtenstein für sein Spiel sehr viel Kraft aufwenden muss. Das war auch schon gegen Kroatien der Fall. Wir hatten unsere Chancen, haben sie aber in der ersten Halbzeit nicht verwertet. » Mit dem ersten Tor seien seine Spieler aber dann doch ruhiger geworden und hätten sich gesteigert. Sicher hat hierbei auch geholfen, dass Liechtenstein nach dem ersten Treffer abbaute. Goalie Lo Russo, der mit Ausnahme des ersten Treffers eine erstklassige Partie zeigte, erklärte gegenüber dem «Liechtensteiner Vaterland » nach Spielschluss: «Von Tor zu Tor wurde es dann schwieriger für uns.» Dies hat sicher auch damit zu tun, dass die Liechtensteiner gegen die Schweiz speziell motiviert waren. Zur Pause stands dann 0:0 und man glaubte an einTopergebnis und wuchs über sich hinaus. Dann folgten die ersten Treffer und der Traum vom Remis fiel mehr und mehr in sich zusammen.
Mutig agiert
Die Vorgaben von Fuchsbichler, mutiger als gegen Kroatien zu starten, ging lange Zeit auf. Der U21-Trainer musste zwar in den Startminuten seine beiden Flügelspieler Niklas Kieber und Simon Kühne immer wieder auffordern, offensiver zu stehen. Sie sollten die beiden offensiv starken Aussenverteidiger Silvan Widmer und Loris Benito neutralisieren und zugleich bei Kontermöglichkeiten eine Anspielstation bilden. Die neue Taktik ging über längere Zeit auf. Liechtenstein kam sogar zu Kontern, die allerdings in der Hitze des Gefechtes zu wenig sauber durchgezogen wurden. Die beste Chance der Liechtensteiner entstand darum auch aus einer Standardsituation. 23 Minuten waren gespielt, als Simon Kühne vom SC Austria Lustenau durch Ajeti mit einem Foul gestoppt wurde. Den fälligen Freistoss an der Aussenseite des Strafraums zirkelte Daniel Brändle direkt auf das Tor der Schweizer. Der Keeper der Eidgenossen, Raphael Spiegel, war aber zur Stelle und konnte den Ball abwehren. Die zweite Liechtensteiner Torchance besass erneut Daniel Brändle kurz nach dem 0:1 der Schweizer. Er suchte aus rund 30 Metern den Abschluss – allerdings zu überhastet. Mit etwas mehr Mut, Kraft und Erfahrung wäre er vielleicht weiter Richtung Schweizer Tor gestürmt. Ein Raunen ging auch durchs Stadion, als Liechtensteins Captain Mathias Sele einen zu kurz geratenen Rückpass von Decarli auf Keeper Spiegel abfangen wollte. Der Schweizer Torhüter war am Schluss doch etwas schneller am Ball und Sele versuchte es mit einer Schwalbe, die dann mit Gelb geahndet wurde.
Vier Treffer in rund 20 Minuten
Die Schweizer hatten auf der anderen Seite Chancen im Überfluss. Neben den sechs erzielten Treffern wurden ihnen zwei weitere Tore wegen Abseits aberkannt und einmal rettete der Pfosten für den bereits geschlagenen Lo Russo (23.). Hinzu kamen einige Chancen, die man eigentlich hätte verwerten müssen. Schweiz-Coach Tami war neben den vier Gelben Karten in der ersten Halbzeit auch mit der Effizienz in den ersten 45 Minuten nicht zufrieden. Die erste Topmöglichkeit hatten die Schweizer bereits nach elf Minuten durch Kasami, der seinen Schuss durch eine Glanztat von Lo Russo aber über die Latte abgelenkt sah. In der Folge verpassten Jevtic (25.), Kasami (28.), Buff (29.), Ben Khalifa (29. Pfosten) und noch einmal Jevtic (40.) die Führung noch vor der Pause.
Auch in der zweiten Halbzeit kamen die Eidgenossen zu Torchancen, ehe Kasami mit dem 0:1 die Moral der Liechtensteiner brach und zugleich Ruhe ins Schweizer Team brachte. Nun folgten vierTreffer in rund 20 Minuten. Brahimi (69.), der frühere Vaduzer Veloso (74.), Jevtic (76.) undTabakovic (81.) erhöhten durch teils sehenswerte Treffer auf 0:5. Die Kopfverlängerung von Ben Khalifa drei Minuten vor Schluss bedeutete dann das brutale 0:6.
Das wichtige erste Tor
Die 22 Akteure auf dem Platz kamen nach dem Schlusspfiff zur gleichen Erkenntnis, egal ob im Schweizer oder Liechtensteiner Trikot. «Es war schwierig, gegen die stark kämpfenden Liechtensteiner den erstenTreffer zu machen. Danach lief das Spiel», meinte zum Beispiel der Schweizer Loris Benito. Liechtensteins Captain Mathias Sele erklärte: «Wir sind als Team aufgetreten und haben am Anfang gut gearbeitet. Die Bedrängnis der Schweizer Offensive war aber sehr gross. Nach dem Treffer zum 0:1 fehlte die Kraft, um sich weiter zu wehren.»